Dienstag, 2. September 2014

Herbstidentitätsdiffusion

Blätter des meteorologischen Herbstes und des astrologischen Sommers
Früher, als die Welt noch eher linear und analog war und nicht diskontinuierlich und digital, da war vieles einfacher. Die Jahreszeiten zum Beispiel. Die wussten, wann sie dran sind. Heute wissen sie das nicht mehr. Früher begann der Herbst so um den 22./23. September herum. Da wusste der Herbst. Jetzt bin ich dran. Dann kamen diese Kachelmännermenschen und sagen dem Herbst, er muss jetzt schon am 01. September beginnen. Und er sei dann auch nicht astrologisch, sondern meteorologisch. Also als Herbst musst du ja schon ganz schön viele Fremdwörter unterscheiden können. Da darfst du nicht so mit Migrationshintergrund kommen. Da musst du ein deutscher Herbst sein, nur um zu verstehen, wie du jetzt dann wann zu kommen erscheinen hast. Musst du dir überlegen: Wer bin ich wann und wenn ja, wieviele. Und es kann sein, dass du auch nicht allein da bist. Da bist du nämlich als meteorologischer Herbst gleichzeitig mit dem astrologischen Sommer unterwegs. Also so für drei Wochen. Da müsst ihr euch vertragen miteinander. Keinen Streit! Nur spielen.
Finde, man hängt ganz schön in der undefinierbaren Luft mit diesen Jahreszeiten. Atme ich jetzt Herbstluft oder ein Sommerlüftchen?
Kann das nicht wieder sein wie früher?
Im Grunde allerdings merkt man den Unterschied zu früher gar nicht. Weil nämlich die Jahreszeiten per se haben sich ja nur wenig geändert. Nur die Begrifflichkeiten verkomplizierten sich. Das allerdings ist ja wohl symptomatisch für unsere Zeit. Mit der voluminösen Expansion reziproker Intelligenz steigt die Verkomplizierung der Begrifflichkeiten. Diese intellektuelle Überforderung führt andererseits zu einer Versimplifizierung im Realen. Kapiert? Alles kein Problem, Alter. Alles kein Problem. Guckstu.
Und übrigens: Der Herbst, also der ist nicht Schuld daran. Das nun wirklich nicht.

Nachtrag: Urgroßonkel Johann Wolfgang sagte:
Der Herbst ist immer unsere beste Zeit.
Er muss es ja wissen, der Gute.